2007 feierte eine der größten und einflussreichsten Wochenzeitungen Polens ihr 50-jähriges Bestehen. Die Geschichte der ?Polityka?, die im Februar 1957 als loyale Regierungszeitung ins Leben gerufen wurde, spiegelt auch ein Stück polnischer Zeitgeschichte wider.

Beinahe wäre die Geschichte der ?Polityka? nur eine Randbemerkung in der Geschichte der Volksrepublik Polens gewesen und der Zeitraum ihres Erscheinens auf wenige Monate im Jahre 1957 beschränkt geblieben. Die Vorgeschichte der Gründung der Zeitung beginnt bereits ein Jahr früher, 1956. Der Tod des bisherigen Parteichefs Bierut, die blutigen Arbeiterproteste in Posen und die Ernennung des Hoffnungsträgers Władysław Gomułka zum neuen Generalsekretär der Partei bedeuteten, drei Jahre nach Stalins Tod, das endgültige Ende der stalinistischen Ära in Polen. Hatte Gomułka am Anfang seiner Amtszeit mit seiner Ankündigung tief greifender wirtschaftlicher und kultureller Reformen noch das Vertrauen eines Großteils der Polen genossen, wurden die Hoffnungen auf eine Liberalisierung des Landes bald enttäuscht: der Religionsunterricht wurde wieder abgeschafft und viele 1956 entstandenen liberalen Zeitungen geschlossen. Auch die systemkritische und beliebte Zeitung ?Po prostu? (dt. ?Einfach?) war Anfang 1957 von der Schließung betroffen. Doch die Partei hatte zunächst eine bessere Idee und so erschien am 27. Februar 1957 die erste Ausgabe der Wochenzeitung ?Polityka? zunächst als systemtreues Gegenstück zur ?Po prostu?. Nachdem diese jedoch im Herbst 1957 doch geschlossen wurde, hätte die Geschichte der ?Polityka? bereits zu Ende sein können.

Doch die Geschichte der Zeitung sollte erst richtig beginnen. Anstelle des alten Herausgebers Stefan Żółkiewski übernahm  der junge Parteiaktivist Mieczysław Rakowski die Leitung der ?Polityka?. Die Radaktionsräume befanden sich im elften Stockwerk des Kulturpalastes. Die 60er Jahre waren gekennzeichnet durch zunehmende Auflagezahlen und steigende Popularität unter der polnischen Bevölkerung, was zu einem großen Teil daran lag, dass die ?Polityka? sich nicht scheute auch kritische Themen anzusprechen und Kompromisse zu suchen. Die ?Polityka? verfolgte die Themen der Zeit. Der schwerfällige Sozialismus der Partei und deren Kämpfe gegen die polnische Intelligenz wurden ebenso kritisch kommentiert wie die antisemitische Hetze von 1968 und die Danziger Arbeiterunruhen im Dezember 1970. Dies führte jedoch auf der anderen Seite immer wieder zu Konflikten mit den kommunistischen Machthabern. Dennoch schaffte es die ?Polityka?, die Welle von Veröffentlichungsverboten, die im März 1968 gegen eine ganze Reihe von Zeitungen erhoben wurden, zu überstehen, stand ihr Bekenntnis zum Sozialismus doch außer Frage. Anfang der 70ziger Jahre lagen die Verkaufszahlen der ?Polityka? bereits bei 300.000 und die Zeitung erfreute sich immer größer Beliebtheit. Die Situation der Zeitung war zu diesem Zeitpunkt außergewöhnlich. Der neue Parteisekretär Edward Gierek übernahm in der ?Polityka? veröffentlichte Vorschläge, die Kirche betrachtete das Blatt als offene Institution und die intellektuelle Elite des Landes veröffentlichte dort ihre Artikel.

In den späten 70ern und vor allem in den 80ern Jahren wuchs mit den zunehmenden Spannungen in der polnischen Gesellschaft jedoch auch der Konflikt innerhalb der Führungsspitze der ?Polityka?. Als im Sommer 1976 Unruhen das Land erschütterten und die Grundsteine der späteren Solidarność gelegt wurden, nahm die ?Polityka? eine bequeme opportunistische Position ein und berichtete lieber über außenpolitische Themen, als über die innerpolnischen Konflikte. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte war die Zeitung nicht auf der Höhe der Zeit. Rakowski, der seit 1975 auch Mitglied des Zentralkomitees war, blieb der kommunistischen Machthabern weiterhin verbunden und so unterstützte die ?Polityka? in der zweiten Hälfte der 70er, als die wirtschaftliche Krise immer gravierendere Ausmaße annahm, weiterhin Gierek.

1980, im Jahr der Gründung der freien Gewerkschaft Solidarność, kam es zum offenen Bruch innerhalb der ?Polityka? und zur wohl größten Krise in ihrer Geschichte. Wie gewohnt hatte die Zeitung im Konflikt eine neutrale Position eingenommen und versucht, zwischen den Fronten Kompromisse zu finden. Eine ganze Reihe von Journalisten verließ daraufhin aus Protest die Zeitung. Rakowski übernahm 1981 die Position des Vizepremiers unter Jaruzelski (und war in den Jahren 1988/89 sogar Ministerpräsident Polens) und war mitverantwortlich für die Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember des Jahres. Kurz darauf fielen 11 Redaktionsmitglieder der stattlichen Ausschliessung politisch nicht zuverlässiger Journalisten zum Opfer. Neuer Chefredakteur wurde, nachdem Rakowski endgültig der Zeitung den Rücken gekehrt hatte, 1982 Jan Bijak. Er übernahm die schwierige Aufgabe für die mit der Zensur kämpfende Zeitung, einen Ausweg aus der Krise der Partei und Wirtschaft zu suchen. Die ?Polityka? nahm daraufhin im weiteren Verlauf der 80er Jahre eine immer kritischere Position gegenüber den Machthabern ein.

Nach der Niederlage des Sozialismus 1989 und der Einführung der freien Marktwirtschaft, musste sich auch die ?Polityka? den Bedingungen des freien Marktes anpassen. Die Zeitung erkannte die Chancen der neuen Zeit, warnte aber zugleich davor, dass der Weg lange und beschwerlich sein würde. Die ?Polityka? selbst nutze die Chancen der neuen Zeit. Bereits 1990 verließ sie den staatlichen Pressebertrieb und gründete eine eigene unabhängige Kooperation.1994 übernahm Jerzy Baczyński die Position des Chefredakteurs und hat die Position bis heute inne. 1995 später erschien die erste farbige Ausgabe der Zeitung. Heute zählt die liberale Zeitung mit ca. 150.000 verkauften Exemplaren und zwei Millionen Lesern zu den größten und einflussreichsten Zeitungen Polens.

Seit 1993 vergibt die Wochenzeitung in mehreren Sparten (u.a. Literatur, Musik, Film, Theater) den renommierten Preis "Paszport Polityki". Seit 2001 unterstützt "Polityka" mit dem  Stipendienprogramm "Zostańcie z nami!" (Bleibt bei uns!)  junge Nachwuchsforscher. Bisher wurden rund eine Millionen Euro an 140 Wissenschaftler ausgezahlt.

Ab November 2008 erscheint freitags im Deutsch-Polnischen Kalender in der Rubrik "Polityka auf Deutsch" ein Artikel aus der aktuellen Nummer des Wochenmagazins in deutscher Übersetzung.  Die Texte beleuchten die deutsch-polnischen Beziehungen, wichtige historische Themen oder neue gesellschaftliche Entwicklungen in Polen. Die Rubrik kann auch als wöchentlicher Newsletter abonniert werden.