Anders als die Presse musste nach 1989 der Markt der elektronischen Medien in Polen vom Staat reguliert werden. Um zu senden, brauchte man damals wie heute eine zugewiesene Frequenz. Anfang der neunziger Jahre vergab Marek Rusin, der Vizeminister für Fernmeldewesen, alle lokalen Sendelizenzen. Von Anfang an stachen Visionäre wie Tyczyński, Woyciechowski und auf seine Art auch Pater Rydzyk, hervor.  Da sie sich  um eine größtmögliche Nähe zu ihren Hörern bemühten, setzten sie neue Standards  (u. a. Live-Sendungen) , die die öffentlichen Medien bis dahin nicht bieten konnten bzw. mussten.

Am 15. Januar 1990 ging der erste private Rundfunksender Polens, Radio Małopolska FU von Stanisław Tyczyński in Krakau auf Sendung. Heute ist RMF FM einer der größten und modernsten Rundfunksender Europas. Zusammen mit einigen anderen Unternehmen gehört er zur Medienholding Grupa RMF (ehemals Broker FM), die Ende 2006 von der Bauer Media Invest GmbH übernommen wurde.

Im Juni 1992 nahm in Warschau Radio Solidarność, vielen noch von den illegalen Übertragungen während des Kriegszustandes in Erinnerung, den Sendebetrieb auf. Als zweiter privater Rundfunkanbieter in Warschau  startete Andrzej Woyciechowski am 28. September 1992 mit seinem Radio Zet. Woyciechowski und Tyczyński waren Visionäre, die genau wussten, wie ihr Hörfunk klingen sollte. Was bei den Hörern jener Zeit einschlug, war die Tatsache, dass die Programme von RMF FM und Radio Zet live gesendet wurden, während die staatlichen die ganze Zeit ?aus der Konserve? kamen. Woyciechowski war es, der die Live-Gespräche mit Politikern erfand, die lange Zeit die Spezialität seines Senders waren. Ein ausgezeichneter, dynamischer Informationsservice war zudem die Stärke von Radio Zet. Der öffentliche Rundfunk war für Radio Zet und RMF FM die natürliche Konkurrenz. ?Sie haben das Abonnement, wir die Hörer?, lautete der Slogan der ersten Werbekampagne von RMF FM. Stanisław Tyczyński wollte von Anfang an Hörfunk mit landesweiter Reichweite machen. Ein bloßes Lokalradiokönne sich einfach nicht leisten, so Tyczyński damals.

Anfang der neunziger Jahre wimmelte es im Äther auch von Piraten, die ohne Genehmigung sendeten, was der Staat bemüht war, nicht zu bemerken. Einer der bekanntesten war das von Wojciech Reszczyński geleitete Warschauer Radio WAWA, das ein Chaos im Äther verursachte, weil es u. a. das Dritte Programm des PR störte. Der Grund für die rasche Zunahme der Zahl der Piraten war die Überzeugung, wenn erst der Landesrat für Rundfunk und Fernsehen (KRRiT) endlich etabliert sein würde, werde er Konzessionen in erster Linie an diejenigen vergeben, die bereits senden.

Als einzige war die polnische Kirche nicht auf Staates Gnaden angewiesen, weil sie keine Sendegenehmigungen brauchte. Das Recht zur Gründung lokaler, jenseits der staatlich kontrollierten Strukturen operierender Sender gewährte ihr das Gesetz über die Beziehungen zwischen Kirche und Staat, das noch in der Regierungszeit von Mieczysław F. Rakowski verabschiedet worden war. Dieses Privileg erleichterte es Tadeusz Rydzyk Ende 1991 sein medialen Konzern in Toruń (Radio Maryja und TV Trwam) aufzubauen.

Die Zeit verging, aber den Rat für Rundfunk und Fernsehen (KRRiT) gab es nach wie vor noch nicht. Zudem vergab der Minister für Fernmeldewesen noch nicht einmal mehr vorläufige Lizenzen. Der Markt der privaten elektronischen Medien machte den Eindruck, als bemerke er das nicht. Und die Hörer konnten legale von Piratensendern nicht unterscheiden. Erst 1993 schrieb der neu KRRiT einen Wettbewerb für Lizenzen aus. Man legte damals u. a. fest, dass zwei Lizenzen für den landesweiten Hörfunk ausreichen mussten. Die glücklichen Auserwählten waren RMF FM und Radio Zet. Eine dritte, nichtkommerzielle Lizenz (ohne die Möglichkeit zu Werbeeinnahmen) erhielt später Radio Maryja, dessen Hörer mit Rosenkränzen in der Hand den Sitz des Rates besetzten.

Heute gibt es neben den großen Zwei (RMF FM und Radio Zet) noch das Radio Eska, das seit 1991 sendet. Mit 32 lokalen Sendern spielt das beliebte Radio Eska in der ersten Liga der polnischen Privatradios mit. Ein weiterer Privatsender ist das Inforadio Tok FM, das seit 1998 aus Warschau eine Mischung aus Nachrichten und politischem Talk sendet und mittlerweile mehrheitlich Agora gehört.

(Artikel erstellt am 8.2.2010 | zuletzt aktualisiert am 8.2.2010 | Copyright: Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit 2010)